53 % der befragten Unternehmen wurden 2022 Opfer eines Cyberangriffs 

 

(GFD 10/2023) Pünktlich zum Cyber-Security-Monat veröffentlicht Hiscox die Zahlen des diesjährigen Cyber Readiness Reports. Die repräsentative und internationale Studie, die bereits seit 2017 jährlich durch das Marktforschungsunternehmen Forrester erhoben wird, zeigt deutlich, dass das Bewusstsein für Cyber-Risiken bei Entscheidern gestiegen ist. In Deutschland werden Cyberangriffe erneut als größtes Geschäftsrisiko angesehen (43 %). International ist ein leichter Stimmungsumschwung zu beobachten: Nur noch fünf von acht Ländern nennen Cyberrisiken als wichtigstes Risiko für Unternehmen. Doch die Fallzahlen bleiben konstant hoch: Mehr als jedes zweite Unternehmen (53%) war auch im vergangenen Jahr wieder Opfer einer Attacke. Deshalb stellt Hiscox die Betrachtung der Studienergebnisse in den größeren Rahmen und hinterfragt, was sie über „Digital Trust“ aussagen.

 

In einer zunehmend digitalen Welt ist Vertrauen ein entscheidender Faktor, der viele Aspekte von Online-Aktivitäten, wie z. B. den elektronischen Handel, die gemeinsame Nutzung von Daten und die Online-Kommunikation, erst ermöglicht. Nach der Definition des World Economic Forum bedeutet Digital Trust, dass Menschen tagtäglich darauf vertrauen, dass digitale Technologien und die Organisationen, die sie nutzen, ihre Interessen wahren und Erwartungen erfüllen.

 

Mangelnde Cyber-Sicherheit als größtes Hindernis für Digital Trust

 

Doch die internationalen Daten sind alles andere als vertrauenerweckend: Die Zahl der angegriffenen Unternehmen ist im dritten Jahr in Folge gestiegen (53 % 2023; 48 % 2022; 43 % 2021). Auch in Deutschland werden Cyberangriffen häufiger. Die Ergebnisse zeigen sogar einen zweistelligen Anstieg von 46 % im Jahr 2022 auf 58 % im Jahr 2023. Auch die Zahl der Cyber-Attacken hat in Deutschland pro Unternehmen deutlich zugenommen: Im letzten Jahr lag der Median bei 6, in diesem Jahr bei 10 Angriffen, was Deutschland nach Irland zum zweithäufigsten angegriffenen Land macht.

 

Rasche technologische Entwicklungen und langsame Anpassung der rechtlichen Rahmenbedingungen sind Herausforderungen, die Vertrauen in digitale Prozesse behindern. Doch die größte Hürde bleibt mangelnde Cybersicherheit. Besonders bei großen Unternehmen gehören Cyberangriffe zur Tagesordnung: So verzeichnen Firmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten den größten Anstieg von 62 % auf 70 % mit mindestens einem Angriff. Jedes fünfte Unternehmen (21 %), das angegriffen wurde, gab an, dass die Auswirkungen so groß waren, dass sie ihre wirtschaftliche Existenz hätten bedrohen können.

 

Diese Risikolage bleibt nicht ohne Konsequenzen für die Stimmung in Unternehmen. Der Anteil derjenigen, die sich als Cyber-Experten bezeichnen, also darauf vertrauen, dass sie gut gerüstet sind und sich beim Thema Cyber-Security auskennen, ist erneut gesunken: von 4,5 % im Jahr 2021 auf 3,4 % im Jahr 2022. Dementsprechend ist der Anteil der selbstdefinierten Cyber-Neulinge in diesem Jahr um 0,8 Prozentpunkte auf 28,3% gestiegen.

 

Diese immer größere Unsicherheit materialisiert sich am stärksten bei den kleineren Firmen: Nur drei von fünf Unternehmen (61 %) mit weniger als 250 Beschäftigten sind zuversichtlich, dass sie auf dem Gebiet der Cybersicherheit gut gewappnet sind. Bei den größeren Unternehmen sind es 71 %. Die Befragten kleinerer Unternehmen sind auch weniger sicher, dass ihre Geschäftsleitung der Cybersicherheit Priorität einräumt, und bezweifeln eher, dass ihre IT-Ausstattung dieser Aufgabe gewachsen ist.

 

„Uns führt das zu der Frage: Wenn Unternehmen nicht einmal selbst in ihre Cyber Readiness vertrauen, wie sollen es dann ihre Kunden oder Auftraggeber tun? Die Studienergebnisse zeigen deutlich, wo die Stolpersteine auf dem Weg zu einer Gesellschaft liegen, die dauerhaft souverän mit den Risiken umgeht, die eine digitale und vernetzte Welt mit sich bringt. Dabei geht es nicht nur darum, dass Hackerangriffe sich teilweise schneller entwickeln als die Abwehr von Unternehmen. Unser Ziel als Versicherer ist es, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass diese digitalen Risiken nicht mehr verschwinden und es nicht möglich ist, einen Status quo ohne Investitionen zu halten. Priorisierung von Datenschutzmaßnahmen, kontinuierliche Weiterbildung von Mitarbeitenden und Investitionen in Cyber-Security sollten schon lange keine Sonderprojekt mehr im Unternehmen sein. In den Studiendaten sehen wir zwar einen positiven Trend, aber die Entwicklung ist aus unserer Sicht noch sehr langsam“, sagt Gisa Kimmerle, Head of Cyber bei Hiscox.

         

Mehr Cyber-Resilienz bedeutet mehr Digital Trust

 

Hiscox-Experten sind sich einig, dass ein so hoher Anteil gehackter Unternehmen und die jahrelang wachsende Verunsicherung bei Entscheidern kein Dauerzustand sein dürfen. Denn Digital Trust ist ein gesellschaftliches Ziel, und gleichzeitig businessrelevant: Nur Unternehmen, die digital vertrauenswürdig sind, können in Zukunft erfolgreich Geschäfte machen. Über kurz oder lang wird ein Ökosystem aus cybersicheren Unternehmen entstehen, das Nachzügler zunehmend aus dem Geschäftsverkehr ausschließen wird. Anderenfalls könnte der dauerhafte Mangel an digitalem Vertrauen dem Gesellschafts- und Wirtschaftssystem nachhaltigen Schaden zufügen.

 

Und das Bewusstsein für die Konsequenzen von beschädigtem Vertrauen ist weit verbreitet: 71 % der Befragten stimmen zu, dass die Marke des Unternehmens Schaden nimmt, wenn die Daten von Kunden und Partnern nicht sicher gehandhabt werden. Im Ernstfall ist der Schutz von Kundendaten sogar der Hauptgrund (46 %) für die Zahlung von Lösegeld infolge von Ransomware-Attacken. Bei deutschen Unternehmen sind die Erwartungen ihrer Geschäftspartner bereits der größte Antrieb (28%), ihre Cyber-Resilienz zu erhöhen.

 

Die wichtigsten Maßnahmen für mehr digitales Vertrauen und Cyber-Resilienz  

 

„Ziel muss es sein, in einer Welt zu leben, in der man sich generell wieder vertrauen kann und in welcher der Umgang mit Daten den Grundsätzen der Informationssicherheit entspricht: Integrität, Vertraulichkeit und Verfügbarkeit. Der Zero-Trust-Ansatz, der zum Aufsetzen eines resilienten IT-Systems sinnvoll erscheinen mag, sollte nicht unseren gesellschaftlichen Alltag beherrschen. Der erste Schritt dahin ist klar: Deutsche Unternehmen müssen bei der IT-Sicherheit aufholen, ihre Hausaufgaben hinsichtlich der Aufstellung einer resilienten Organisation machen und so in einem großen Ausmaß ‘versicherbar‘ werden“, ergänzt Gisa Kimmerle.

Ein Beispiel für den genannten positiven Trend sind die höheren Investitionen in IT-Sicherheit: Die durchschnittlichen Ausgaben stiegen innerhalb von drei Jahren um 39 % auf 142.600 Euro. Bei Unternehmen mit weniger als zehn Mitarbeitern vervierfachten sie sich innerhalb von zwei Jahren. Deutschland ist Vorreiter: Unternehmen in der Bundesrepublik gaben am meisten für IT-Sicherheit aus bei einem Median von 195.040 Euro im Vergleich zu 142.600 Euro international.

 

Auch eine höhere Abdeckung durch passende Cyber-Versicherungen ist ein Schritt zu mehr digitalem Vertrauen. Der Anteil der Cyber-Versicherungsnehmer unter den Befragten ist dabei im internationalen Vergleich in Deutschland am höchsten (67 %). Versicherungen spielen eine wichtige Rolle bei der Abmilderung der Auswirkungen von Cybervorfällen, Schutz vor monetären Schäden und der Förderung bewährter Praktiken im Bereich der Cybersicherheit.

 

„Ein Schlüssel zum Erfolg ist aus Hiscox-Sicht die Akzeptanz, dass es sich bei Cyber-Risiken nicht um eine temporäre oder außergewöhnliche Bedrohung handelt. Wer dies in vollem Umfang akzeptiert, kann automatisch die passenden Maßnahmen ableiten. Beispielsweise haben absichtliches oder unabsichtliches Fehlverhalten von Mitarbeitenden völlig andere Konsequenzen, sobald sensible Daten involviert sind. Darüber hinaus ist die Einführung und Aktualisierung von Notfallplänen, der sogenannten Incident Response Plans, eine sinnvolle Konsequenz auch für kleinere Unternehmen“, ergänzt Gisa Kimmerle. Autor: www.hiscox.com

 

Schuldenobergrenze und Haftungsrisiken: Welche Punkte Geschäftsleiter bei der Zahlungsunfähigkeit beachten sollten

 

(GFD 07/2023) Vermeiden der Zahlungsunfähigkeit zur Chefsache machen – die Antwort auf die Frage „Ist mein Unternehmen noch zahlungsfähig?“ ist angesichts der Multi-Dauerkrise weiterhin von enormer Bedeutung

Insolvenzantragspflicht bei Zahlungsunfähigkeit gilt weiterhin uneingeschränkt – vereinfachte Methode zur Feststellung birgt große finanzielle Risiken für Unternehmen und Geschäftsleiter

Wichtig: Notwendige Restrukturierung oder Sanierung rechtzeitig angehen, wenn noch Reserven vorhanden sind – Insolvenzrecht bietet unterschiedliche Möglichkeiten und Verfahren

Hannover/Leipzig. Die USA haben ihre Zahlungsunfähigkeit kurz vor dem Eintreten abgewendet: Nachdem Repräsentantenhaus und Senat einem Schuldenkompromiss zugestimmt haben, konnte US-Präsident Joe Biden das Gesetz am 2. Juni 2023 unterzeichnen. Das Gesetz sieht vor, dass die US-Regierung wieder neue Kredite aufnehmen und damit liquide Geldmittel beschaffen darf: Die festgelegte Schuldenobergrenze von aktuell 31,38 Billionen Dollar wird bis Anfang 2025 ausgesetzt. Biden hatte es – letztendlich erfolgreich – zu seiner Chefsache gemacht, die Zahlungsunfähigkeit der größten Volkswirtschaft der Welt zu vermeiden.

 

Vermeiden der Zahlungsunfähigkeit ist nicht nur für Biden Chefsache

 

Nicht durch Präsidenten von Staaten, sondern auch Geschäftsleiter von Unternehmen sollten das Vermeiden der Zahlungsunfähigkeit zur Chefsache machen – gerade, weil es bei Unternehmen eine festgelegte Schuldenobergrenze nicht gibt, ein Aussetzen von Schulden- und Haftungsgrenzen, um nachfolgend wieder Liquidität besorgen zu können, ausgeschlossen ist und den Geschäftsleitern eine strafrechtliche und zivilrechtliche Haftung droht, wenn sie nicht rechtzeitig handeln. „Angesichts der gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen der Vielzahl an Krisen, die sich seit drei Jahren als Multi-Dauerkrise die Klinke in die Hand geben, der inzwischen durchaus restriktiveren Kreditvergabe der Banken und der allgemeinen Preissteigerung sollten sich Geschäftsleiter – so hart das zunächst klingen mag – regelmäßig mit der Frage `Ist mein Unternehmen noch zahlungsfähig?´ befassen“, rät Rechtsanwalt René Schmidt, der am Leipziger Standort der bundesweit vertretenen Kanzlei Schultze & Braun tätig ist.

 

Bislang der mit Abstand häufigste Grund für Insolvenzanträge

 

„Die Antwort darauf hat nicht nur für Unternehmen, sondern gerade auch für Geschäftsleiter in Bezug auf ihre persönliche Haftung eine große Bedeutung“, sagt Schmidt, der bereits zahlreiche Unternehmen und Geschäftsleiter in Krisensituationen beraten und unterstützt hat. „Grundsätzlich gilt: Kann ein Unternehmen seine fälligen Verbindlichkeiten nicht mehr begleichen, liegt die Zahlungsunfähigkeit – bislang der mit Abstand häufigste Grund für Insolvenzanträge – vor. In einem solchen Fall greift die Insolvenzantragspflicht und ein Geschäftsleiter ist dazu verpflichtet, innerhalb der gesetzlichen Frist – in der Regel drei Wochen – einen Insolvenzantrag zu stellen“, erläutert Schmidt. Daran änderten auch die Anfang November 2022 in Kraft getretenen Erleichterungen im Insolvenzrecht (siehe Kastentext unten – Energie- und Wirtschaftskrise: Änderungen im Insolvenzrecht) nichts.

 

Definition der Zahlungsfähigkeit – Ab wann ist ein Unternehmen zahlungsunfähig?

 

Doch ab wann ist ein Unternehmen aus rechtlicher Sicht zahlungsunfähig? „Zahlungsunfähigkeit liegt nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor, wenn das Unternehmen zu einem Stichtag zehn Prozent oder mehr seiner fälligen Verbindlichkeiten mit den präsenten liquiden Mitteln nicht begleichen kann und diese Lücke auch nicht innerhalb von drei Wochen unter Beachtung der in dieser Zeit fällig werdenden Verbindlichkeiten mit den in diesem Zeitraum zusätzlich verfügbar werdenden liquiden Mitteln schließen kann“, erläutert Diplom-Kaufmann (FH) und Kreditanalyst Stefan Höge von Schultze & Braun am Standort Hannover, der sich seit fast 30 Jahren mit der Frage des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit befasst. „Ob ein Unternehmen zahlungsunfähig ist oder nicht, lässt sich für den jeweils aktuellen Tag mit der sogenannten erweiterten Liquiditätsbilanz feststellen, die als Methode seit inzwischen fast 20 Jahren etabliert ist und deren Berechnung in zwei Schritten erfolgt“, so Höge weiter. Die beiden Schritte der erweiterten Liquiditätsbilanz sind:

 

Zu einem Betrachtungsstichtag werden die vorhandenen Geldmittel und die noch an diesem Tag zufließenden Gelder aus dem Einzug von Forderungen des Unternehmens den zu diesem Stichtag fälligen Verbindlichkeiten gegenübergestellt.

Decken die vorhandenen Geldmittel die fälligen Verbindlichkeiten nicht zu mindestens 90 Prozent, muss im zweiten Schritt geprüft werden, ob diese Unterdeckung innerhalb der folgenden drei Wochen beseitigt werden kann. Dazu werden die voraussichtlichen Einnahmen der nächsten drei Wochen und die Verbindlichkeiten, die in diesem Zeitraum fällig werden und daher bedient werden müssen, jeweils zu den Stichtagswerten hinzugerechnet. Wichtig ist allerdings, dass Warenvorräte und teilfertige Leistungen bei der Berechnung erst dann berücksichtigt werden dürfen, wenn diesbezüglich einzugsfähige Forderungen einem Kunden in Rechnung gestellt worden sind und eine Zahlung des Kunden in den drei Wochen zu erwarten ist.

Drei Wochen-Frist mit großer Bedeutung

 

„Wenn klar ist, dass die Geldmittel zum Betrachtungsstichtag und auch perspektivisch in den nächsten drei Wochen die fälligen Verbindlichkeiten nicht vollständig abdecken, ist das Unternehmen bereits zum Betrachtungsstichtag zahlungsunfähig“, sagt Höge. Die beiden dargestellten Schritte der etablierten erweiterten Liquiditätsbilanz zeigen, wie wichtig einerseits die zügige Rechnungstellung für erbrachte Leistungen und gelieferte Waren ist und dass andererseits bei der Antwort auf die Frage „Ist mein Unternehmen noch zahlungsfähig?“ durchaus professionelle Hilfe zu Rate gezogen werden sollte, damit Geschäftsleiter das Risiko einer persönlichen Haftung für sich reduzieren.

 

Vereinfachte Methode mit Risiken

 

„Daran ändert auch nichts, dass der Bundesgerichtshof im Sommer 2022 in einer Leitsatzentscheidung eine vereinfachte Methode zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit ermöglicht hat, die jedoch für Unternehmen und gerade auch für Geschäftsleiter durchaus mit Risiken verbunden ist“, sagt Höge. Nach der BGH-Entscheidung ist es möglich, an mehreren Stichtagen innerhalb eines dreiwöchigen Zeitraumes jeweils einen vereinfachten Liquiditätsstatus zu erstellen. In diesem vereinfachten Status, der dem ersten Schritt der erweiterten Liquiditätsbilanz entspricht, werden die am jeweiligen Stichtag konkret vorhandenen Geldmittel (Kasse, Bank und an dem Tag zufließende Gelder aus dem Einzug von Forderungen) und die konkret zum jeweiligen Stichtag fälligen und unbezahlten Verbindlichkeiten einander gegenübergestellt. Wenn sich an drei weiteren aufeinanderfolgenden Stichtagen innerhalb eines drei Wochen-Zeitraumes bei dieser Gegenüberstellung herausstellt, dass die Liquiditätslücke jeweils zehn Prozent oder mehr beträgt, gilt das Unternehmen sogar rückwirkend ab dem ersten Stichtag als zahlungsunfähig.

 

Ungewollte Insolvenzverschleppung und das Damoklesschwert der Haftung

 

„Für Geschäftsleiter erhöht die vereinfachte Methode das Risiko einer ungewollten, aber gleichwohl strafbaren Insolvenzverschleppung“, sagt Schmidt. „Sie stellen dabei erst mit dem letzten Liquiditätsstatus nach drei Wochen fest, ob ihr Unternehmen bereits zum ersten Stichtag, also drei Wochen zuvor, zahlungsunfähig war. Es ist damit bereits ein beträchtlicher Zeitraum mit eingetretener Zahlungsunfähigkeit vergangen. Hinzu kommt, dass die Frist für die Stellung eines Insolvenzantrages lediglich drei Wochen ab dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit beträgt. Es kann daher sein, dass ein Geschäftsleiter erst am letzten Tag der Frist erfährt, dass er zur Vermeidung von strafrechtlicher und zivilrechtlicher Haftung noch an diesem Tag einen Insolvenzantrag stellen muss, was angesichts der dafür notwendigen Zeit quasi unmöglich ist.“

 

Wird ein Insolvenzantrag allerdings zu spät gestellt, können dem Geschäftsleiter aufgrund der Haftungsregeln des Insolvenzrechts erhebliche finanzielle Konsequenzen drohen – etwa für Auszahlungen nach dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit. Abhängig vom finanziellen Volumen der Zahlungen und dem Zeitraum der Insolvenzverschleppung hängt in einer solchen Situation über so manchem Geschäftsleiter ein mitunter Millionen Euro schweres Haftungs-Damoklesschwert. Gegebenenfalls sind allerdings im Zusammenhang stehende Kriterien wie ernsthafte Sanierungsbestrebungen und der Masse zugeflossene Gegenleistungen zu berücksichtigen.

 

Das Risiko der vereinfachten Methode liegt gemäß Höge zudem darin, dass sie tendenziell zu verkürzten Berechnungen führt, zukunftsgerichtete Finanzpläne als Instrumente des in der Krise gebotenen verschärften Controllings nicht einbezieht, einen Überhang an zukünftig fällig werdenden Verbindlichkeiten nicht erkennen lässt und darüber hinaus kurzfristige Zahlungsstockungen nicht abbilden kann. Geschäftsleiter sollten daher auf der Grundlage der ordnungsgemäßen Buchführung weiterhin die erweiterte Liquiditätsbilanz einsetzen und die Finanzpläne berücksichtigen – gerade auch, um bei der Antwort auf die Frage „Zahlungsunfähig oder (noch) nicht?“ für ihr Unternehmen und sich selbst auf der sicheren Seite zu sein.

 

Kein Schema F – unterschiedliche Sanierungsoptionen prüfen

 

„Grundsätzlich gilt: Geschäftsleiter sollten eine notwendige Restrukturierung oder Sanierung rechtzeitig angehen, wenn ihr Unternehmen noch Reserven hat“, erläutert Schmidt. „Wenn Gegenmaßnahmen rechtzeitig eingeleitet werden, bestehen bessere Chancen auf einen erfolgreichen und nachhaltigen Ausgang. Einfach abzuwarten und auf eine baldige Besserung der Konjunktur und der wirtschaftlichen Gesamtlage zu setzen, ist keine sinnvolle Strategie.“ Geschäftsleiter, deren Unternehmen sich in einer Krise befindet oder absehbar darauf zusteuert – was unter anderem an der zunehmenden Ausschöpfung der gewährten Kontokorrentlinien erkennbar ist – sollten auch eine Neuaufstellung mit Hilfe der Instrumente des Sanierungsrechts zumindest als Option ansehen.

 

Bei finanziellen Schwierigkeiten ist zunächst immer der Versuch einer außergerichtlichen Sanierung sinnvoll. „Dies erfordert jedoch oft schwierige Verhandlungen mit den Gläubigern, die in der Regel sämtlich dem Sanierungskonzept zustimmen müssen. Stimmt auch nur ein Gläubiger nicht zu, kann es schwierig werden, auf diesem Weg eine Lösung zu finden“, sagt Schmidt. „Im deutschen Sanierungs- und Insolvenzrecht stehen Geschäftsleitern gleichwohl verschiedene weitere Möglichkeiten und Verfahren zur Verfügung.“

 

Ist die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens gesichert, gibt es seit dem 1. Januar 2021 die Möglichkeit einer Restrukturierung nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -Sanierungsgesetz, kurz StaRUG. Dies kann ein erfolgversprechender Schritt sein, da im StaRUG-Verfahren nur noch drei Viertel der betroffenen Gläubiger dem Restrukturierungsplan zustimmen müssen. Mit dem StaRUG kann ein Unternehmen sich mit einem angepassten Finanzplan außerhalb eines Insolvenzverfahrens und unter Ausschluss der Öffentlichkeit neu ausrichten.

Kommt das StaRUG nicht in Betracht, weil das Unternehmen seine Zahlungsfähigkeit absehbar nicht (mehr) sicherstellen kann, stehen mit dem Schutzschirmverfahren, der Eigenverwaltung (Sanierung in eigener Regie), aber auch mit der Regelinsolvenz weitere Sanierungsverfahren zur Verfügung. Allerdings ist die Antwort auf die Frage „Ist mein Unternehmen noch zahlungsfähig?“ nicht nur mit dem Blick auf eine mögliche Haftung, sondern insbesondere bei einer vorinsolvenzlichen StaRUG-Restrukturierung und bei einem Schutzschirmverfahren von Belang. Beide Verfahren können Unternehmen nur dann beantragen, wenn einem Unternehmen die Zahlungsunfähigkeit nur droht, sie aber noch nicht eingetreten ist.

„Es zeigt sich: Geschäftsleiter, deren Unternehmen aufgrund der Multi-Dauerkrise in eine wirtschaftliche Schieflage geraten sind oder absehbar geraten werden, haben mehrere Möglichkeiten und Verfahren, um Krisen zu meistern: Dieses Ziel wird am besten erreicht, wenn alle Beteiligten wissen, was sie zu tun haben, und wenn frühzeitig, schnell und konsequent gehandelt wird“, fasst Schmidt zusammen. „So hart es klingt: Zu spät kann in diesen Zeiten das `totale Aus´ bedeuten!“

 

Energie- und Wirtschaftskrise: Änderungen im Insolvenzrecht

 

Aufgrund steigender Rohstoff- und Energiepreise hat der Gesetzgeber zum 9. November 2022 (SanInsKG) Erleichterungen bei der Insolvenzantragspflicht wegen Überschuldung und beim Zugang zu den Sanierungsverfahren geschaffen:

 

Der Zeitraum für die Dauer der insolvenzrechtlichen Fortführungsprognose wird von zwölf auf vier Monate herabgesetzt. Auf diese Weise wird die Hürde für eine belastbare Prognose vermindert und die Insolvenzantragspflicht bei Überschuldung gelockert. Die Regelung gilt auch für Unternehmen, bei denen bereits vor dem Inkrafttreten des SanInsKG eine Überschuldung vorlag, aber der für eine rechtzeitige Insolvenzantragstellung maßgebliche Zeitpunkt noch nicht verstrichen ist. Entscheidend ist dafür der 9. November 2022, zu dem das SanInsKG in Kraft getreten ist. An der Insolvenzantragspflicht wegen Zahlungsunfähigkeit – bislang mit Abstand der häufigste Grund für Unternehmensinsolvenzen – ändert das SanInsKG nichts.

Die Höchstfrist für die Stellung eines Insolvenzantrags wegen Überschuldung ist im SanInsKG von sechs auf acht Wochen erhöht worden. So soll Unternehmen mehr Zeit für den Versuch einer außerinsolvenzlichen Restrukturierung (StaRUG) verschafft werden. Die vorgegebene Frist darf nicht ausgeschöpft werden, wenn zu einem früheren Zeitpunkt bereits feststeht, dass eine nachhaltige Beseitigung der Überschuldung nicht erwartet werden kann. Liegt eine Zahlungsunfähigkeit vor, ist der Insolvenzantrag trotzdem binnen einer Frist von nur drei Wochen ab dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit zu stellen, auch wenn die Frist wegen Überschuldung noch läuft.

Die Regelungen des SanInsKG gelten bis zum 31. Dezember 2023. Doch bereits ab dem 1. September 2023 kann der ursprüngliche Prognosezeitraum von zwölf Monaten wieder relevant werden. Wenn für ein Unternehmen weniger als vier Monate vor dem Jahresende 2023 feststeht, dass es unmittelbar nach Ablauf der vorübergehenden Änderungen unter dem dann wieder maßgeblichen Überschuldungsbegriff überschuldet sein wird, ist gegebenenfalls innerhalb von sechs Wochen Insolvenzantrag zu stellen.

Die zur Stellung eines Insolvenzantrags genannten aktuellen Höchstfristen von drei Wochen bei Zahlungsunfähigkeit und acht Wochen bei Überschuldung dürfen nur ausgenutzt werden, wenn die Beseitigung der Insolvenzreife innerhalb der Antragsfrist wahrscheinlich erfolgt.

Angepasst wurden auch die Planungszeiträume für Eigenverwaltungs- und Restrukturierungsvorhaben (StaRUG). Unternehmen mussten bei solchen Vorhaben bislang Finanzpläne vorlegen, aus denen sich für einen Zeitraum von sechs Monaten ergibt, dass das Unternehmen durchfinanziert ist. Dabei müssen Einnahmen und Ausgaben des laufenden Geschäftsbetriebes genauso wie die Sanierungs- und Verfahrenskosten berücksichtigt werden. Die diesbezüglichen Planungszeiträume für die Erstellung von Eigenverwaltungs- und Restrukturierungsplanungen sind mit dem SanInsKG bis zum 31. Dezember 2023 von sechs auf vier Monate herabgesetzt worden. Autor: www.schultze-braun.de

 

Fünf Jahre DS-GVO: Unternehmen sind weiterhin verunsichert

 

GFD 05/2023) Die europäische Datenschutz-Grundverordnung hemmt in großen Teilen der deutschen Wirtschaft Innovationen und wird als Hindernis für Wachstum und Wohlstand in der digitalen Welt wahrgenommen. 6 von 10 Unternehmen (62 Prozent) zögern bei der Datennutzung, weil sie Angst haben, gegen den Datenschutz zu verstoßen. Fast ebenso viele (60 Prozent) haben schon einmal Pläne für Innovationen gestoppt, weil datenschutzrechtliche Vorgaben oder Unsicherheiten sie dazu gezwungen haben. Dabei gibt jedes fünfte Unternehmen (22 Prozent) an, dass dies schon häufig der Fall war, bei 24 Prozent mehrfach und bei 14 Prozent bislang einmal. Darauf hat der Digitalverband Bitkom anlässlich des bevorstehenden fünften Jahrestages der DS-GVO hingewiesen. Die Verordnung gilt seit dem 25. Mai 2018. Grundlage der Zahlen ist eine repräsentative Umfrage unter 602 Unternehmen ab 20 Beschäftigten aus allen Branchen. „Ein einheitliches Datenschutzrecht für die ganze EU war und ist ein großartiges Projekt für die Bürgerinnen und Bürger ebenso wie für die EU als Wirtschaftsraum. Nach fünf Jahren Datenschutz-Grundverordnung muss man allerdings festhalten: Die DS-GVO hat ihr Versprechen, für europaweit einheitliche, verständliche und praxistaugliche Datenschutz-Regeln zu sorgen, nicht eingelöst. Stattdessen führt die von jeder nationalen und regionalen Aufsicht eigenständige Interpretation der Regeln zu Rechtsunsicherheit. Viele Unternehmen verzichten deshalb auf die Entwicklung neuer Technologien und Dienste – oder verlagern ihre Projekte ins Ausland. Das zeigt sich nicht zuletzt an Verboten für innovative Technologien wie ChatGPT in einzelnen EU-Mitgliedstaaten, die für massive Verunsicherung sorgen“, sagt Bitkom-Präsident Achim Berg.

 

So glauben 58 Prozent der Unternehmen, dass Deutschland Chancen für Wachstum und Wohlstand verschenkt, weil zu oft auf Datennutzung verzichtet wird. 63 Prozent sagen, dass durch strenge Regeln innovative datengetriebene Geschäftsmodelle in Deutschland erstickt oder aus dem Land vertrieben werden. „Datenschutz ist in unserer digitalen Welt extrem wichtig. Aktuell erleben wir aber eine lähmende Angst vor Fehlern und eine einseitige Abwägung zwischen Datenschutz und Mehrwerten der Datennutzung“, so Berg. Das gelte zum Beispiel für länderübergreifende Kooperationsprojekte und die medizinische Forschung, aber auch für die Digitalisierung des Gesundheitswesens oder der Verwaltung.  Insbesondere kleinen und mittelständischen Unternehmen fehle es zudem an praxistauglichen Hilfestellungen, um in der Datenökonomie innovative Geschäftsideen umsetzen und wachsen zu können. „Die vorhandenen Spielräume der DS-GVO werden in Deutschland kaum genutzt“, sagt Berg. „Wir müssen Datenverarbeitungen als Chance verstehen, nicht immer nur als Risiko. Wenn wir fünf Jahre so weitermachen wie zuletzt, schwächen wir unsere Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit.“

 

Konkret fordert Bitkom, die Datenschutz-Aufsicht stärker zu vereinheitlichen. Aktuell gibt es allein in Deutschland 18 unabhängige Datenschutz-Aufsichten. Zudem müsse sich der Datenschutz stärker an realen Gefahren als an theoretischen Risiken orientieren. Das solle insbesondere auch bei den derzeit laufenden Diskussionen zum deutschen Beschäftigtendatenschutz gelten. Die Aufsichtsbehörden sollten aus Bitkom-Sicht darüber hinaus verpflichtet werden, nicht nur Verbote oder gar pauschale Produktwarnungen auszusprechen und Bußgelder zu verhängen, sondern auch bei datenschutzkonformer Umsetzung zu unterstützen. Autor: www.bitkom.org

 

Streik: Was gibt es im Arbeitsverhältnis zu beachten?

 

(GFD 4/2023) Ein flächendeckender Streik hat am Montag, 27. März 2023, begonnen. Die Beschäftigten im Nah- und Fernverkehr, an Flughäfen oder auch in der Schifffahrt haben laut der Gewerkschaften ihre Arbeit niedergelegt. Doch was bedeuten die Einschränkungen für das Arbeitsverhältnis? Ecovis-Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Gunnar Roloff in Rostock kennt die Antworten.

 

Großflächiger Warnstreik

 

Allein 380.000 Fluggäste sollen Schätzungen zufolge betroffen sein, weil der Passagierverkehr deutschlandweit beinahe vollständig zum Erliegen kommen wird. Darüber hinaus planen die Gewerkschaften laut den Ankündigungen der Bahn, bundesweit nicht nur den gesamten Fernverkehr einzustellen, sondern auch im Regionalverkehr soll größtenteils kein Zug mehr fahren. Und: Auch U-Bahnen oder Busse sind vielerorts vom Streik betroffen. „Welche Folgen dieser Super-Streiktag letztlich haben wird, lässt sich heute noch nicht ganz absehen“, meint Ecovis-Rechtsanwalt Roloff. Die Anreise zur Arbeit wird für viele Beschäftigte sicher zur Herausforderung. „Auch mit erheblichen Staus ist zu rechnen, weil die Menschen auf Autos umsteigen“, sagt Roloff.

 

Der Arbeitgeber kann Pünktlichkeit verlangen

 

Trotz der Einschränkungen müssen Arbeitnehmer aber pünktlich zur Arbeit erscheinen. „Beschäftigte müssen sich so frühzeitig auf den Weg machen, dass sie rechtzeitig am Arbeitsplatz erscheinen, selbst wenn sich die Dauer des Arbeitswegs infolge der zu erwartenden Verkehrseinschränkungen erheblich verlängert“, erklärt Roloff.

 

Sind Arbeitnehmer unpünktlich, kann das nicht nur dazu führen, dass sie ihren Vergütungsanspruch für die Zeit der Verspätung verlieren. Unpünktliche Arbeitnehmer riskieren sogar eine Abmahnung und damit auch den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses. „Bei wiederholter Unpünktlichkeit droht sogar die Kündigung“, warnt Roloff.

 

Homeoffice?

 

Ob ausnahmsweise mobil gearbeitet und Beschäftigte so den Arbeitsweg vermeiden können, sollten Arbeitgeber grundsätzlich wegen der erwartender Einschränkungen erwägen. „Selbst kann der Arbeitnehmer seinen Arbeitsort aber nicht wählen, da es nach wie vor keinen Anspruch des Arbeitnehmers auf Homeoffice gibt“, erklärt Roloff. Der Chef muss also einverstanden sein, wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausnahmsweise von zu Hause aus arbeiten wollen.

 

„Denkbar wäre auch, dass sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber darauf einigen, dass der Arbeitnehmer die für Montag geplante Arbeitszeit zu einem späteren Zeitpunkt nachholt und sich so die lästige Fahrt zur Arbeit erspart“, regt Roloff an.

 

Reden hilft

 

Lässt sich der Arbeitsweg nicht vermeiden, sollte der Mitarbeiter den Arbeitgeber frühzeitig über Verspätungen informieren. Roloff weiß aus seiner Erfahrung: „Arbeitgeber haben für den Arbeitnehmer mehr Verständnis, der mit ihm das Gespräch sucht.“ Autor: Ecovis.com

 

Ab 2024: Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG)

 

(GFD 03/2023) Am 1. Januar 2024 tritt das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) in Kraft. Die Unternehmensformen GbR, OHG und KG müssen sich auf Veränderungen einstellen.

 

Die Veränderungen im Gesellschaftsrecht durch das MoPeG betreffen die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die Offene Handelsgesellschaft und die Kommanditgesellschaft. Die betroffenen Gesellschaften sollten sich frühzeitig auf die Änderungen einstellen, empfiehlt Rechtsanwalt Michael Rainer, Ansprechpartner für Gesellschaftsrecht bei der Kanzlei MTR Legal Rechtsanwälte

 

So erhält die GbR ab 2024 Rechtsfähigkeit und kann am Rechtsverkehr teilnehmen, sofern dies von den Gesellschaftern gewünscht wird. Daneben soll aber auch die Möglichkeit der rechtsunfähigen GbR in ihrer bisherigen Form erhalten bleiben. Soll die GbR aber am Rechtsverkehr teilnehmen, muss sie in ein noch zu schaffendes Register eingetragen werden. Dadurch wird aus einer GbR eine eingetragene Gesellschaft bürgerlichen Rechts (eGbR).

 

Die Eintragung in das Register ist zwar nicht vorgeschrieben, sie ist aber z.B. erforderlich, wenn die GbR Gesellschafter einer GmbH werden oder Namensaktien halten möchte. Gleiches gilt, wenn die Gesellschaft Rechte an Grundstücken oder eingetragenen Schiffen hält. Zudem wird die GbR durch den Registereintrag umwandlungsfähig und kann einen Verwaltungssitz wählen - auch im Ausland.

 

Das MoPeG sieht weiter vor, dass auch Angehörige freier Berufe ggf. eine OHG oder KG gründen können. Gesellschaften sollten sich rechtzeitig mit den Möglichkeiten befassen und bestehende Gesellschaftsverträge ggf. anpassen. Autor: www.mtrlegal.com

 

Jahressteuergesetz 2022: Was auf Unternehmen und Privatleute zukommt

 

(GFD 12/2022) Die Regierung bringt gerade das Jahressteuergesetz 2022 auf den Weg. Nachdem der Bundesrat in seiner Sitzung am 28. Oktober 2022 eine Reihe von Änderungen und Ergänzungen vorgeschlagen hat, zeichnet sich jetzt ab, worüber der Bundestag am Freitag, 02. Dezember 2022 abstimmen wird. Die abschließende Zustimmung des Bundesrates wird dann am 16. Dezember 2022 erwartet.

 

Die Schwerpunkte liegen auf PV-Anlagen, Abschreibung für Immobilien, Grundstücksbewertungen und Homeoffice. Ecovis-Steuerberaterin Juliane Kahlich in Hof hat den Regierungsentwurf zusammengefasst und erklärt, worauf sich Unternehmen und Privatleute 2023 einstellen können.

 

Regierung fördert Photovoltaikanlagen

 

Steuerbefreiung für bestimmte Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen)

 

Die Regierung fördert den Ausbau erneuerbarer Energien. Deshalb plant sie, dass die Einnahmen aus dem Betrieb bestimmter PV-Anlagen künftig rückwirkend zum 01. Januar 2022 von der Steuer befreit sind. Dies soll für Anlagen bis zu einer Leistung von 30 Kilowatt (kW) peak (peak: Spitzenleistung oder Nennleistung ist die maximal abgegebene Leistung einer Anlage) auf Einfamilienhäusern und Gewerbeimmobilien gelten und bis zu einer Leistung von 15 kW (peak) auf sonstigen Gebäuden je Wohn- und Gewerbeeinheit. Für die Steuerbefreiung soll es nicht mehr entscheidend sein, ob das Mischgebäude überwiegend Wohnzwecken dient.

 

Die Steuerbefreiung gilt unabhängig davon, wie der Anlagenbetreiber den erzeugten Strom verwendet. Er muss somit die Einnahmen aus PV-Anlagen nicht in der Steuererklärung angeben, etwa wenn mit dem Strom private oder betriebliche E-Autos fahren, er den Strom an Mieter verkauft oder der Strom dem Eigenverbrauch dient, . Die Steuerbefreiung ist jedoch auf maximal 100 kW (peak) pro Unternehmen (pro Kapitalgesellschaft oder pro Mitunternehmerschaft) begrenzt.

 

Einführung Nullsteuersatz in der Umsatzsteuer für PV-Anlagen und Stromspeicher

 

Für die Lieferung und die Installation von PV-Anlagen und Stromspeichern soll in Zukunft ein umsatzsteuerlicher Nullsteuersatz gelten. Diese neue Regelung belastet Betreiber von PV-Anlagen bei der Anschaffung der Anlage nicht mehr mit Umsatzsteuer. Deshalb entfällt auch der Anreiz, sich wegen des Vorsteuerabzugs beim Finanzamt als Unternehmer erfassen zu lassen.

 

Anlagenbetreiber müssen aber beachten, dass für die Anwendung des Nullsteuersatzes das Lieferdatum 2023 entscheidend ist. Die Fertigstellung der PV-Anlage muss daher im Jahr 2023 erfolgen. Deshalb sollten Unternehmen exakt prüfen, welche Art von Leistung oder Lieferung vertraglich geschuldet ist und für wann die Ausführung geplant ist.

 

Abschreibung für Wohngebäude soll von zwei auf drei Prozent steigen

 

Gebäudeeigentümer müssen künftig neue Abschreibungsregeln beachten. Für ab dem 01. Januar 2023 fertiggestellte Wohngebäude erhöht sich die Abschreibung von bisher zwei auf drei Prozent. Mit dieser Maßnahme schafft der Gesetzgeber einen steuerlichen Anreiz für den Wohnungsneubau.

 

Im Gegenzug wollte die Bundesregierung die Regelung zum Ansatz einer kürzeren Nutzungsdauer für die Gebäudeabschreibung streichen. Diese Vorschrift ermöglicht es bisher, dass Eigentümer eine kürzere Nutzungsdauer eines Gebäudes gegenüber der gesetzlich vorgeschriebenen Nutzungsdauer für Gebäude, beispielsweise mithilfe eines Gutachtens, nachweisen. Nachdem der Bundesrat, statt einer Abschaffung der Regelung, konkretere Vorgaben forderte, in welchen Fällen Eigentümer eine kürzere Nutzungsdauer künftig in Anspruch nehmen können, bleibt es nun auch dabei. „Der Erhalt der Regelung zum Ansatz einer kürzeren Nutzungsdauer ist zu begrüßen“, sagt Steuerberaterin Kahlich.

 

Unternehmensnachfolge: Änderungen bei der Bewertung von Grundstücken

 

Der Gesetzgeber möchte die Bewertungsverfahren für bebaute Grundstücke an die geänderte Immobilienwertermittlungsverordnung anpassen. Damit sollen die Grundstückswerte möglichst den realen, am Markt gehandelten Verkehrswerten, entsprechen. Er will so erreichen, dass die gesetzlichen Bewertungsverfahren weiterhin bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer Anwendung finden.

 

Vor allem in dicht besiedelten Regionen ist davon auszugehen, dass die Grundbesitzwerte steigen. „Bei Mietwohngrundstücken kann der Grundbesitzwert durchaus zwischen 20 und 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr steigen“, sagt Juliane Kahlich, „deshalb ist es ratsam, Vermögensübertragungen auf die nächste Generation, vor allem bei Unternehmensnachfolgen, noch vor dem Jahreswechsel 2022/2023 umzusetzen.“

 

Neuerung beim häuslichen Arbeitszimmer

 

Seit der Corona-Pandemie haben sich viele berufliche Tätigkeiten vermehrt in die eigenen vier Wände verlagert. Deshalb möchte der Gesetzgeber die Absetzbarkeit eines häuslichen Arbeitszimmers erleichtern. Die Koalition plant daher eine Jahrespauschale von 1.260 Euro für Arbeitszimmer nebst Ausstattung zu gewähren. „Dann muss aber das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der betrieblichen und beruflichen Tätigkeit bilden“, erläutert Steuerberaterin Kahlich. „Mittelpunktsfälle“ können dann also wählen zwischen der Jahrespauschale oder dem Abzug der tatsächlichen Aufwendungen in voller Höhe. Bildet das Arbeitszimmer nicht der Mittelpunkt der beruflichen Betätigung, steht aber dauerhaft kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung, sollen Betroffene anstelle der Jahrespauschale die Homeoffice-Pauschale von nunmehr 6 Euro pro Tag geltend machen können.

 

Allerdings hat der Gesetzgeber einige Einschränkungen bei der Jahrespauschale vorgesehen. So wird eine monatsbezogene Berücksichtigung der Jahrespauschale festgelegt. Das heißt, dass die Jahrespauschale für jeden vollen Kalendermonat gekürzt wird, wenn die Voraussetzungen für den Abzug der Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer nicht im gesamten Kalenderjahr vorlegen haben.

 

„Die Voraussetzungen, dass das Finanzamt die Abzugsregelungen für ein häusliches Arbeitszimmer gewährt, haben sich durch die neue Rechtslage geändert. Man sollte daher  prüfen, ob ab 2023 die Voraussetzungen für ein häusliches Arbeitszimmer überhaupt noch vorliegen, denn die Neuregelung gilt für alle ausgeübten Tätigkeiten im häuslichen Arbeitszimmer nach dem 31.12.2022“, sagt Kahlich.

 

Änderung bei der Homeoffice-Pauschale

 

Wer nicht über ein Arbeitszimmer im steuerlichen Sinne verfügt, aber dennoch von zu Hause aus arbeitet, kann sich über eine Erhöhung der Homeoffice-Pauschale freuen. Der Tagessatz wird auf 6 Euro angehoben, so dass der Höchstbetrag von 600 Euro auf 1.260 Euro steigt. Somit kann man künftig 210 Arbeitstage statt 120 von der Steuer absetzen.

 

Inflationsausgleich

 

Ab dem Veranlagungszeitraum 2023 sind weitere inflationsbedingte Anpassungen vorgesehen:

 

Anstieg des Sparerpauschbetrags von 801 Euro auf 1.000 Euro oder bei Ehegatten/Lebenspartnern von 1.602 Euro auf 2.000 Euro.

Erhöhung des Ausbildungsfreibetrags von derzeit 924 Euro auf 1.200 Euro.

Entfristung der Homeoffice-Pauschale von sechs Euro pro Tag und Anhebung des abzugsfähigen Höchstbetrags von 600 Euro auf 1.260 Euro.

Wie es weitergeht:

Über die Änderungen des Referentenentwurfs wird der Bundestag am 02.012.2022 abstimmen. Am 16.12.2022 ist das Jahressteuergesetz 2022 im Bundesrat. „Ab dann ist endgültig klar, wohin 2023 zumindest aus steuerlicher Sicht die Reise hingeht“, sagt Kahlich. Autor: www.ecovis.com

 

Haftung des Betriebserwerbers in der Insolvenz

 

(GFD 2/2021) Der Erwerber eines Betriebs(teils) in der Insolvenz haftet nach § 613a Abs. 1 BGB für Ansprüche der übergegangenen Arbeitnehmer auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nur zeitanteilig für die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zurückgelegte Dauer der Betriebszugehörigkeit. Für die Leistungen, die auf Zeiten bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens beruhen, haftet er auch dann nicht, wenn für diesen Teil der Betriebsrente nach dem Betriebsrentengesetz der Pensions-Sicherungs-Verein (PSV) - der gesetzlich bestimmte Träger der Insolvenzsicherung - nicht vollständig eintritt.

 

Den beiden Klägern sind Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zugesagt worden. Nach der Versorgungsordnung berechnet sich ihre Betriebsrente nach der Anzahl der Dienstjahre und dem - zu einem bestimmten Stichtag vor dem Ausscheiden - erzielten Gehalt. Über das Vermögen ihrer Arbeitgeberin wurde am 1. März 2009 das Insolvenzverfahren eröffnet. Im April 2009 ging der Betrieb nach § 613a Abs. 1 BGB auf die Beklagte über.

 

Einer der Kläger erhält seit August 2015 von der Beklagten eine Betriebsrente iHv. ca. 145,00 Euro und vom PSV eine Altersrente iHv. ca. 817,00 Euro. Bei der Berechnung legte die Beklagte zwar die Versorgungsordnung einschließlich des zum maßgeblichen Stichtag vor dem Versorgungsfall bezogenen höheren Gehalts zugrunde, ließ aber den Anteil an der Betriebsrente, der vor der Insolvenz erdient war, außer Betracht. Der PSV setzte dagegen - wie im Betriebsrentengesetz vorgesehen - das zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens maßgebliche niedrigere Gehalt des Klägers an. Der Kläger hält die Beklagte für verpflichtet, ihm eine höhere Betriebsrente zu gewähren. Diese müsse sich nach den Bestimmungen der Versorgungsordnung auf der Basis des höheren Gehalts unter bloßem Abzug des Betrags errechnen, den er vom PSV erhalte. Der andere Kläger verfügte bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht über eine gesetzlich unverfallbare Anwartschaft. Daher steht ihm bei Eintritt eines Versorgungsfalls nach dem Betriebsrentengesetz kein Anspruch gegen den PSV zu. Er hält die Beklagte für verpflichtet, ihm künftig eine Betriebsrente in voller Höhe zu gewähren. Die Vorinstanzen haben die Klagen abgewiesen.

 

Die Revisionen der Kläger hatten vor dem Dritten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Nach der - im Hinblick auf die besonderen Verteilungsgrundsätze des Insolvenzrechts einschränkenden - Auslegung von § 613a Abs. 1 BGB durch die deutschen Arbeitsgerichte können die Kläger mit ihren Klagebegehren nicht durchdringen. Danach haftet ein Betriebserwerber in der Insolvenz nicht für Betriebsrentenanwartschaften, die im Sinne von § 108 Abs. 3 Insolvenzordnung für die Zeit vor Insolvenzeröffnung entstanden sind. Diese Rechtsprechung ist - wie der Gerichtshof der Europäischen Union entschieden hat (EuGH 9. September 2020 - C-674/18 und C-675/18 - [TMD Friction])- mit Unionsrecht vereinbar. Sie rechtfertigt sich nach der allgemeinen Regelung des Art. 3 Abs. 4 Richtlinie 2001/23/EG, der auch neben den nur in der Insolvenz geltenden Bestimmungen in deren Art. 5 anwendbar bleibt. Voraussetzung ist, dass ein Art. 8 Richtlinie 2008/94/EG entsprechender Mindestschutz gewährt wird. Dieser unionsrechtlich gebotene Mindestschutz wird in der Bundesrepublik Deutschland durch einen unmittelbar aus dem Unionsrecht folgenden und gegen den PSV gerichteten Anspruch gewährleistet. Eine Haftung des Erwerbers scheidet deshalb aus.

 

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26. Januar 2021 - 3 AZR 139/17 -

Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 20. Januar 2017 - 6 Sa 582/16 -

 

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26. Januar 2021 - 3 AZR 878/16 -

Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 4. November 2016 - 1 Sa 120/16 -

 

Der Senat hat in 20 weiteren - im Wesentlichen gleich gelagerten - Rechtsstreiten die Klageabweisungen der Vorinstanzen bestätigt.

 

Art. 3 Richtlinie 2001/23/EG lautet auszugsweise:

 

„1. Die Rechte und Pflichten des Veräußerers aus einem zum Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis gehen aufgrund des Übergangs auf den Erwerber über.

 

...

 

3. Nach dem Übergang erhält der Erwerber die in einem Kollektivvertrag vereinbarten Arbeitsbedingungen bis zur Kündigung oder zum Ablauf des Kollektivvertrags bzw. bis zum Inkrafttreten oder bis zur Anwendung eines anderen Kollektivvertrags in dem gleichen Maße aufrecht, wie sie in dem Kollektivvertrag für den Veräußerer vorgesehen waren.

 

Die Mitgliedstaaten können den Zeitraum der Aufrechterhaltung der Arbeitsbedingungen begrenzen, allerdings darf dieser nicht weniger als ein Jahr betragen.

 

4. a) Sofern die Mitgliedstaaten nicht anderes vorsehen, gelten die Absätze 1 und 3 nicht für die Rechte der Arbeitnehmer auf Leistungen bei Alter, Invalidität oder für Hinterbliebene aus betrieblichen oder überbetrieblichen Zusatzversorgungseinrichtungen außerhalb der gesetzlichen Systeme der sozialen Sicherheit der Mitgliedstaaten.

 

b) Die Mitgliedstaaten treffen auch dann, wenn sie gemäß Buchstabe a) nicht vorsehen, dass die Absätze 1 und 3 für die unter Buchstabe a) genannten Rechte gelten, die notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Interessen der Arbeitnehmer sowie der Personen, die zum Zeitpunkt des Übergangs bereits aus dem Betrieb des Veräußerers ausgeschieden sind, hinsichtlich ihrer Rechte oder Anwartschaftsrechte auf Leistungen bei Alter, einschließlich Leistungen für Hinterbliebene, aus den unter Buchstabe a) genannten Zusatzversorgungseinrichtungen.“ Autor: www.bundesarbeitsgericht.de

 

EuGH urteilt zur grenzüberschreitenden Dienstwagenüberlassung

 

(GFD 01/2021) Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens des Finanzgerichts des Saarlandes am 20. Jan. 2021 entschieden, unter welchen Voraussetzungen eine Dienstwagenüberlassung eines Arbeitgebers an einen Angestellten zur privaten Mitbenutzung eine nicht kurzfristige Vermietung eines Beförderungsmittels im Sinne der Ortsvorschrift des Art. 56 (2) der Richtlinie 2006/112/EG (MwStSystRL; entspricht § 3a (3) Nr.2 S.3 UStG) darstellt (Rs. C-288/19). Diese Ortsvorschrift besagt, dass der Besteuerungsort der Vermietung eines Fahrzeugs an einen Nichtunternehmer (wie zum Beispiel an einen Angestellten) für einen ununterbrochenen Zeitraum von mehr als 30 Tagen dort ist, wo der Nichtunternehmer (hier der Angestellte) seinen Wohnsitzt oder gewöhnlichen Aufenthalt hat.

 

Entscheidung des EuGH

 

Der EuGH äußert sich zu der Anwendbarkeit der Ortsvorschrift des Art. 56 (2) MwStSystRL wie folgt:

 

•        Erfolgt die Dienstwagenüberlassung an den Mitarbeiter entgeltlich, liegt eine Vermietung eines Beförderungsmittels im Sinne der Ortsvorschrift nur vor, wenn der Arbeitgeber seinem Angestellten gegen Zahlung eines Mietzinses für eine vereinbarte Dauer das Recht überträgt, den Dienstwagen in Besitz zu nehmen und andere von diesem Recht auszuschließen.

 

•        Eine solche Vereinbarung muss nicht in einem gesonderten Mietvertrag geregelt sein, sondern kann auch in dem Arbeitsvertrag des Angestellten enthalten und in zeitlicher Hinsicht an das Bestehen des Arbeitsverhältnisses gekoppelt sein. Auch die vertragliche arbeitgeberseitige Vorgabe, das Fahrzeug für dienstliche Fahrten zu nutzen, ist unschädlich. Entscheidend ist daher, dass zwischen dem Arbeitgeber und seinem Angestellten eine „wirkliche Vereinbarung“ besteht, die dem Angestellten die private Mitbenutzung über eine definierte Dauer garantiert, so dass der Mitarbeiter das vertragliche Recht hat, das Fahrzeug dauerhaft auch für seinen privaten Bedarf unter Ausschluss von anderen zu nutzen. Der für eine Vermietung erforderliche Mietzins kann nicht in einer anteiligen Arbeitsleistung liegen. Es hat hierfür vielmehr eine Zahlung seitens des Arbeitnehmers oder dergleichen (wie z.B. einen Lohnabzug) zu erfolgen.

 

•        Erfolgt die Dienstwagenüberlassung an den Mitarbeiter unentgeltlich, kann die Ortsvorschrift nicht zur Anwendung kommen. Denn der für eine Vermietung erforderliche tatsächlich in Geld zu entrichtende Mietzins liegt auch dann nicht vor, falls die unentgeltliche Nutzungsüberlassung einer Dienstleistung gegen Entgelt nach Art. 26 (1) Buchst. a) der Richtlinie 2006/112 gleichgestellt sein sollte.

 

Hintergrund der Entscheidung

 

Der Unternehmer QM, eine Verwaltungsgesellschaft eines Investmentfonds mit Sitz in Luxemburg, stellte zwei ihrer Mitarbeiter jeweils ein Fahrzeug zur Verfügung. Die Mitarbeiter hatten ihren Wohnsitz in Deutschland und übten ihre Tätigkeit von Luxemburg aus. Die Fahrzeuge wurde von den Mitarbeitern sowohl dienstlich wie auch privat genutzt. Gegenüber einem der Mitarbeiter erfolgte die Fahrzeugüberlassung kostenfrei, während QM von dem anderen Mitarbeiter für die Dienstwagenüberlassung einen jährlichen Betrag von knapp 5.700,00 EUR vom Gehalt einbehielt.

 

QM unterlag in Luxemburg aufgrund ihrer umsatzsteuerfreien Fondsverwaltungstätigkeiten einem vereinfachten Besteuerungsverfahren und konnte in diesem Mitgliedstaat die in Verbindung mit den beiden Fahrzeugen gezahlte Mehrwertsteuer nicht als Vorsteuer abziehen. Die Fahrzeugüberlassungen lösten in Luxemburg keine Mehrwertsteuer aus.

Das für QM zuständige deutsche Finanzamt unterwarf beide Fahrzeugüberlassungen der deutschen Mehrwertsteuer unter Anwendung der Ortsregelung von Art. 56 (2) MwStSystRL (§ 3a (3) Nr.2 S.3 UStG).

 

Konsequenzen aus der Entscheidung des EuGH

 

In der Praxis ergeben sich aus dem Urteil des EuGH insbesondere folgende Konsequenzen bei längerfristigen Dienstwagenüberlassungen zur auch privaten Verwendung:

 

•        Für unentgeltliche Dienstwagenüberlassungen eines ausländischen Unternehmers von seinem Sitz im Ausland kommt es nicht zu einer Umsatzbesteuerung der Dienstwagenüberlassung in Deutschland. Denn selbst wenn die unentgeltliche Kfz-Überlassung einer Dienstleistung gegen Entgelt gleichzustellen ist, richtet sich der Ort der Leistung nach Art. 45 MwStSystRL (entspricht § 3a (1) UStG) und liegt damit dort, wo der Unternehmer den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat (Ausland). Zu dem gleichen Ergebnis gelangt man für frühere Zeiträume bei Anwendung der (mittlerweile aufgehobenen) Ortsvorschrift für unentgeltliche Wertabgaben nach § 3f UStG.

 

•        Bei entgeltlichen Dienstwagenüberlassungen ist dagegen eine genaue Prüfung erforderlich. Nur wenn die vertragliche Abrede zwischen dem Arbeitgeber und seinem Arbeitnehmer derart gestaltet ist, dass das Recht zur privaten Nutzung (unter Ausschluss von anderen) und die Dauer des Nutzungsrechts feststehen (was in deutschen Arbeitsverträgen in der Regel der Fall ist), erfolgt bei einer entgeltlichen Dienstwagenüberlassung eines Unternehmers von seinem ausländischen Sitz an einen in Deutschland wohnhaften Mitarbeiter eine Besteuerung in Deutschland aufgrund der Anwendbarkeit der Ortsvorschrift des Art. 56 (2) MwStSystRL (§ 3a (3) Nr.2 S.3 UStG). Autor: www.bdo.de

 

Betriebsbedingte Kündigung: Das kostet die Abfindung

 

(GFD 10/2020) Kein Unternehmen kündigt gern. Doch bei vielen Betrieben bleiben die Umsätze aufgrund der Corona-Pandemie dauerhaft niedrig oder ganz weg. Dann müssen Chefinnen und Chefs betriebsbedingt kündigen. Was genau man unter einer betriebsbedingten Kündigung versteht, welche Formalien Unternehmen einhalten müssen und was eine betriebsbedingte Kündigung an Abfindung kostet, erklärt Ecovis-Arbeitsrechtler Gunnar Roloff in Rostock.

 

Was ist eine betriebsbedingte Kündigung?

 

Unternehmer sprechen betriebsbedingte Kündigungen aus, wenn ein Arbeitsplatz aus betrieblichen Gründen wegfällt und es keine anderweitige Beschäftigung gibt. Arbeitgeber bauen Arbeitsplätze aus Kostengründen ab oder wenn sie ihr Unternehmen umstrukturieren. „Die Ursache für eine betriebsbedingte Kündigung liegt also weder in der Person noch im Verhalten des Arbeitnehmers“, sagt Gunnar Roloff, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Rostock.

 

Welche Formalien müssen Chefs einhalten?

 

Chefs müssen ein Arbeitsverhältnis immer schriftlich kündigen. „Eine Nachricht per Whatsapp beendet ein Arbeitsverhältnis ebenso wenig wie die Aufforderung des Chefs, sein Mitarbeiter möge sich nicht mehr blicken lassen“, sagt Ecovis-Experte Roloff. Zudem müssen Arbeitgeber die geltenden Kündigungsfristen einhalten. Diese sind gesetzlich vorgeschrieben, sie können aber auch anders vereinbart sein, beispielsweise im Arbeits- oder Tarifvertrag. Gibt es einen Betriebsrat, dann hat dieser bei Kündigungen ein Mitbestimmungsrecht. Falls viele Arbeitnehmer von Entlassungen betroffen sind, müssen Arbeitgeber dies per Massenentlassungsanzeige der Agentur für Arbeit melden.

 

Was genau steht im Kündigungsschutzgesetz?

 

Das Kündigungsschutzgesetz schränkt in Betrieben mit mehr als zehn Angestellten die Kündigung von Arbeitsverhältnissen ein. Teilzeitkräfte werden bei dieser Betrachtung nur teilweise berücksichtigt. Voraussetzung für den persönlichen Kündigungsschutz ist eine mindestens sechsmonatige Beschäftigungszeit. Ist das Kündigungsschutzgesetz danach anwendbar, darf der Arbeitgeber nur dann kündigen, wenn der Arbeitsplatz aus betrieblichen Erfordernissen wegfällt und der Arbeitnehmer nicht auch an einem anderen Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden kann.

 

Was genau bedeutet Sozialauswahl?

 

Bei einer betriebsbedingten Kündigung ist eine Sozialauswahl notwendig. Der Arbeitgeber muss dabei diejenigen Arbeitnehmer ermitteln, die am wenigsten schutzbedürftig sind. Bei vergleichbaren Arbeitnehmern werden daher die Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung der vergleichbaren Arbeitnehmer berücksichtigt.

 

Wann muss der Arbeitgeber eine Abfindung zahlen?

 

Der Arbeitgeber kann in der Kündigung erklären, dass er betriebsbedingt kündigt und der Arbeitnehmer eine Abfindung erhält, wenn er auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage verzichtet. Das Gesetz sieht in diesem Fall eine Abfindung in Höhe eines halben Monatsverdiensts pro Beschäftigungsjahr vor. Ein Zeitraum von mehr als sechs Monaten ist auf ein volles Kalenderjahr aufzurunden.

 

Alternativ können Arbeitgeber und Arbeitnehmer auch die Zahlung einer Abfindung im Rahmen eines Aufhebungsvertrags vereinbaren. „In vielen Kündigungsschutzprozessen schließen Arbeitgeber und Arbeitnehmer einen Vergleich. Dann zahlt der Arbeitgeber eine Abfindung, um das Arbeitsverhältnis zu beenden“, berichtet der Ecovis-Anwalt aus der Praxis.

 

Wieviel kostet eine Abfindung?

 

Für den Arbeitgeber ist eine Abfindung eine reine Ausgabe, also Aufwand. Mitarbeiter müssen ihre Abfindung zusätzlich versteuern. Wie viel eine solche Abfindung Arbeitgeber und Arbeitnehmer tatsächlich kostet, zeigen die Beispielrechnungen.

 

Beispielrechnungen:

Der Arbeitgeber kündigt seinem ledigen und kinderlosen Arbeitnehmer betriebsbedingt zum 31.12.2020. Der Arbeitnehmer bekommt eine Abfindung, wenn er auf eine Kündigungsschutzklage verzichtet. Der Arbeitnehmer erhält bisher einen monatlichen Bruttolohn von 3.000 Euro. Er war zehn Jahre im Unternehmen.

 

Das kostet die Abfindung den Arbeitgeber:

 

halber Monatsverdienst (brutto):

3.000 Euro geteilt durch 2

 

1.500 Euro

mal Anzahl der Beschäftigungsjahre  10 Jahre

Abfindungsbetrag

(1.500 Euro mal 10 Jahre)

 

15.000 Euro

Die Abfindung ist sozialversicherungsfrei. Der Arbeitgeber muss keinen Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung zahlen. Die Abfindung kostet den Arbeitgeber damit 15.000 Euro.

 

Das kostet die Abfindung den Arbeitnehmer:

 

Auch für den Arbeitnehmer fallen aufgrund der Sozialversicherungsfreiheit keine Beiträge an. Es besteht jedoch Steuerpflicht. Besteuert wird die Abfindung per Fünftelregelung. „Die Fünftelregelung sorgt dafür, dass die Abfindung des Mitarbeiters nicht den Steuersatz des Mitarbeiters nicht drastisch erhöht. Sie mildert also die Steuerprogression, sagt Ecovis-Rechtsanwalt Gunnar Roloff. Mit ihrer Hilfe lässt sich die Lohnsteuer für die Abfindung berechnen.

 

Abfindung brutto   15.000 Euro

Jahresbruttolohn ohne Abfindung

(12 Monate mal 3.000 Euro)

36.000 Euro

Lohnsteuer bei Jahresbruttolohn ohne Abfindung (ca.)   7.000 Euro

Jahresbruttolohn plus 1/5 der Abfindung:

36.000 Euro + 3.000 Euro

 

39.000 Euro

 

Lohnsteuer bei Jahresbruttolohn zzgl. 1/5 der Abfindung (ca.) 8.000 Euro

Lohnsteuer auf 1/5 der Abfindung:

Rechenweg: 8.000 minus 7.000 Euro         1.000 Euro

Lohnsteuer auf die komplette Abfindung

5 mal 1.000 Euro

 

5.000 Euro

plus Solidaritätszuschlag

5,5 % mal 5.000 Euro

 

275 Euro

Abfindung netto

(15.000 Euro minus 5.000 Euro minus 275 Euro)

 

9.725 Euro

„Ohne die Fünftelregelung würden dem Arbeitnehmer im Beispiel etwa 300 Euro weniger Netto von seiner Abfindung bleiben“, sagt Ecovis-Rechtsanwalt Gunnar Roloff. Autor: www.ecovis.com

 

Abmahnmissbrauch effektiv verhindern: Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs beschlossen

 

Der Deutsche Bundestag hat in zweiter und dritter Lesung den vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs beschlossen.

 

Das Gesetz enthält ein umfassendes Paket an Maßnahmen, das zu einer erheblichen Eindämmung des Abmahnmissbrauchs führen wird und damit insbesondere Selbständige sowie kleinere und mittlere Unternehmen vor den Folgen solcher Abmahnungen schützen wird. Er beruht sowohl auf einem Auftrag im Koalitionsvertrag sowie auch auf einem Beschluss des Deutschen Bundestages vom 14. Juni 2018. Das Gesetz ergänzt darüber hinaus das Designgesetz um eine sogenannte Reparaturklausel, die den Markt für sichtbare Ersatzteile für den Wettbewerb öffnet.

 

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht erklärt:

„Der Missbrauch von Abmahnungen schadet dem Wettbewerb und vor allem Selbstständigen und kleinen und mittleren Unternehmen. Durch den nun beschlossenen Gesetzentwurf entziehen wir diesem Geschäftsmodell die Grundlage.

 

Wir beseitigen finanzielle Fehlanreize: Mitbewerber können keine Kostenerstattung verlangen für Abmahnungen wegen Verstößen gegen Informations- und Kennzeichnungspflichten im Internet oder wegen Datenschutzverstößen von Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern.

 

Außerdem stärken wir diejenigen, die sich gegen missbräuchliche Abmahnungen wehren. Abmahner dürfen sich bei Rechtsverletzungen im Internet nicht länger aussuchen, vor welchem Gericht sie klagen. Betroffene können in Zukunft missbräuchliche Abmahnungen leichter darlegen und bekommen zudem einen Gegenanspruch auf Ersatz der Kosten für die erforderliche Rechtsverteidigung. All das kommt den Abgemahnten zu Gute.

 

Daneben sorgen wir mit einer Gesetzesänderung für mehr Wettbewerb und niedrigere Preise auf dem Ersatzteilmarkt. Autofahrerinnen und Autofahrer brauchen preiswertere Alternativen zu den Ersatzteilen der großen Automobilhersteller. Durch unsere Neuregelung können sie ihr Auto in Zukunft günstiger reparieren und länger nutzen.“

 

Das Gesetz enthält zum einen Maßnahmen zur Verhinderung des Abmahnmissbrauchs. Dies betrifft insbesondere folgende Kernpunkte:

 

Finanzielle Anreize für Abmahner verringern

 

Abmahnungen sollen zu einem rechtstreuen Wettbewerb beitragen und nicht zur Generierung von Anwaltsgebühren und Vertragsstrafen missbraucht werden. Die Verringerung finanzieller Anreize ist daher ein wirksames Mittel, um missbräuchliche Abmahnungen einzudämmen. Zu diesem Zweck sollen Mitbewerber bei Verstößen gegen Informations- und Kennzeichnungspflichten im Internet oder bei Verstößen von Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern gegen Datenschutzrecht kein Anspruch auf Kostenerstattung für die Abmahnung erhalten. In diesen Fällen wird bei einer erstmaligen Abmahnung auch die Höhe einer Vertragsstrafe begrenzt.

 

Voraussetzungen für die Anspruchsbefugnis der Abmahner erhöhen

 

Wettbewerbsverhältnisse sollen nicht bewusst geschaffen werden, um Einnahmen durch Abmahnungen zu ermöglichen. Mitbewerber können Unterlassungsansprüche daher in Zukunft nur noch geltend machen, wenn sie in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich Waren oder Dienstleistungen vertreiben oder nachfragen. Online-Shops mit Fantasieangeboten werden damit ebenso ausgeschlossen wie Mitbewerber, die bereits insolvent sind und gar nicht mehr am Wettbewerb teilnehmen.

 

Auch unseriösen Wirtschaftsverbänden, die zur Erzielung von Einnahmen aus Abmahnungen gegründet werden, wird die Geschäftsgrundlage entzogen. Anspruchsberechtigt sind nur noch Wirtschaftsverbände, die sich – nach Erfüllung bestimmter Anforderungen – auf einer Liste qualifizierter Wirtschaftsverbände eintragen lassen. Die Erfüllung der Anforderungen durch die Wirtschaftsverbände wird durch das Bundesamt für Justiz regelmäßig überprüft.

 

Gegenansprüche des Abgemahnten erleichtern

 

Die Betroffenen können missbräuchliche Abmahnungen in Zukunft durch die Schaffung mehrerer Regelbeispiele für missbräuchliche Abmahnungen leichter darlegen. Hierzu zählt die massenhafte Versendung von Abmahnungen durch Mitbewerber genauso wie Fälle, in denen eine offensichtlich überhöhte Vertragsstrafe verlangt wird oder Mitbewerber einen unangemessen hohen Gegenstandswert ansetzen. Wer zu Unrecht abgemahnt wird, erhält außerdem einen Gegenanspruch auf Ersatz der Kosten für die erforderliche Rechtsverteidigung. Abmahner müssen die Berechtigung einer Abmahnung daher in jedem Einzelfall sorgfältig prüfen, um finanzielle Risiken zu vermeiden.

 

Wahl des Gerichtsstands einschränken

 

Der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung (sog. fliegender Gerichtsstand) ermöglicht dem Kläger bei nicht ortsgebundenen Rechtsverletzungen, sich das für sie passende Gericht auszusuchen. In Zukunft gilt bei Rechtsverletzungen im Internet und im elektronischen Geschäftsverkehr einheitlich der allgemeine Gerichtsstand des Beklagten (des zuvor Abgemahnten).

Im Gesetz enthalten ist darüber hinaus eine Ergänzung des Designgesetzes um eine sogenannte Reparaturklausel, die den Markt für sichtbare Ersatzteile für den Wettbewerb öffnet. Nach dem bisher geltenden Designrecht können Hersteller von komplexen Erzeugnissen, die aus mehreren auseinander- und wieder zusammenbaubaren Bauelementen bestehen (z. B. Automobile), auch für einzelne Bauelemente (z. B. Kotflügel) Designschutz in Anspruch nehmen, sofern das Design neu ist und Eigenart hat. Dies gilt aber nur für solche Bauelemente, die in ein komplexes Erzeugnis eingefügt sind und die bei ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung sichtbar bleiben. Dadurch konnten „freie“ Ersatzteilhändler daran gehindert werden, die entsprechenden Teile ebenfalls – und unter Umständen billiger –zu vermarkten. Die nun beschlossene Neuregelung wird auf alle nach Inkrafttreten des Gesetzes angemeldeten Designs anwendbar sein und voraussichtlich zu einer Preisreduzierung bei sichtbaren Autoersatzteilen wie Karosserieteilen, Scheinwerfern und Verglasungen führen. Autor: www.bmjv.de

 

Transparenzregister: Was Unternehmer gegen Bußgeldbescheide machen können

 

(GFD 04/2020) Das Transparenzregister soll Geldwäsche bekämpfen, weil es die Besitzverhältnisse und die handelnden Personen in Unternehmen offenlegt. Für die Betriebe bedeutet die Eintragungspflicht mehr Bürokratie. Viele haben sie bisher ignoriert. Doch nun hagelt es Bußgeldbescheide. Rechtsanwalt und Steuerberater Andreas Hintermayer von Ecovis in München kennt alle Details, weiß, was zu tun ist und wie sich Bußgelder abwehren lassen.

 

Was ist das Transparenzregister, seit wann gibt es das und was soll es bringen?

 

Andreas Hintermayer: Das Transparenzregister gibt es seit 2017. Es soll Geldwäsche bekämpfen helfen. Die Eintragungen zeigen, wer hinter einem Unternehmen steht. Für normale Unternehmer ist der Aufwand derzeit enorm, aber auch für uns als Berater. Letztlich lagert der Staat hier Polizeiarbeit auf die Unternehmer und uns Berater aus. Ob sich damit schwarze Schafe finden lassen, bezweifle ich. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt. Al Capone wurde ja auch nicht wegen Mord verurteilt, sondern wegen Steuerhinterziehung.

 

Welche Unternehmen müssen sich eintragen?

 

Andreas Hintermayer: Alle Gesellschaften außer den GbRs. Zudem alle Vereine, alle Stiftungen und Genossenschaften sowie Trusts.

 

Bis wann muss ein Unternehmen die Eintragung vornehmen?

 

Andreas Hintermayer: Sofort! Denn die Termine sind längst verstrichen. Seit Ende 2019 werden Bußgeldverfahren eröffnet. Unsere Mandanten bekommen aktuell Anhörungsverfahren wegen Ordnungswidrigkeiten. Das kennt man vielleicht, weil man schon mal bei Rot über die Ampel gefahren ist. Wer sich nicht eingetragen hat, bekommt vom Bundesverwaltungsamt ein Bußgeld aufgebrummt. Wer noch keine Post bekommen hat, hatte bisher Glück. Auf lange Sicht wird man an einer Eintragung nicht vorbeikommen.

 

Welche Angaben sind gefragt? Wer hat es leicht und bei wem ist es kompliziert?

 

Andreas Hintermayer: Einzutragen sind einmalig die wirtschaftlich Berechtigten eines Unternehmens. Das sind die Eigentümer oder Personen, die ein Unternehmen kontrollieren. Also Personen, die mehr als 25 Prozent der Anteile halten. Falls sich etwas ändert, muss man das ebenfalls melden, sonst reicht die einmalige Eintragung. Die Daten, die sowieso bereits zum Beispiel im Handelsregister stehen, werden automatisch übernommen. Bei einer normalen GmbH muss daher für gewöhnlich nichts gemeldet werden. Bei Aktiengesellschaften gibt es keine öffentlichen Aktionärsregister. Daher müssen wirtschaftlich Berechtigte gemeldet werden. Etwas anderes gilt nur, wenn kein Aktionär mehr als 25 Prozent der Anteile hält. Bei GmbH & Co. KGs ist die Rechtslage derzeit leider noch ungeklärt. Das Bundesverwaltungsamt vertritt hier eine sehr restriktive Ansicht, sodass Kommanditisten, die mehr als 25 Prozent Anteile an der Gesellschaft halten, sicherheitshalber gemeldet werden sollten. Für Stiftungen gibt es keine offiziellen Register. Daher muss hier stets eine Meldung erfolgen. Dies gilt auch für gemeinnützige Stiftungen.

 

Welche Kosten kommen auf die Unternehmer zu?

 

Andreas Hintermayer: Die Eintragung selbst ist kostenlos. Nur das Führen des Registers kostet pro Gesellschaft 4,80 Euro pro Jahr. Die Rechnungen bekommen die Unternehmer vom Bundesanzeiger Verlag, unabhängig davon, ob eine Meldung erfolgt ist oder nicht.

 

Können sich Unternehmen auch von ihrem Anwalt oder Steuerberater eintragen lassen?

 

Andreas Hintermayer: Grundsätzlich ja. Der Berater braucht dafür nur einen Auftrag, also eine Vollmacht.

 

Was passiert, wenn man sich nicht einträgt oder es vergessen hat?

 

Andreas Hintermayer: Das kann teuer werden. Wir hatten schon unterschiedlichste Fälle mit Bußgeldern zwischen 50 Euro und 12.000 Euro. Gegen den Bescheid haben wir Einspruch eingelegt und unser Mandant musste zum Glück nichts bezahlen.

 

Aktuell sind wohl Betrugsmails im Umlauf?

 

Andreas Hintermayer: Ja, ich habe E-Mails gesehen, die wie ein offizielles Schreiben aussehen. Darin bieten die Betrüger scheinbar einen Eintragungsservice an. Ich empfehle, auf solche Mails nicht zu reagieren. Die Eintragung kann jeder selbst vornehmen unter www.transparenzregister.de

Autor: www.ecovis.com

 

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